29. März 2022

Kontrolle über Nährwert, Geschmack, Stabilität und Mundgefühl 

Der globale Markt für insektenbasierte Proteine ist in den vergangenen Jahren explodiert. Die Nachfrage kommt dabei aus Bereichen wie der Tierfutter- und Arzneimittelproduktion bis hin zur Getränke- und Lebensmittelbranche. 

Nach der jüngsten Zulassung durch die EU, die Insektenproteine als Proteinquelle für den menschlichen Verzehr freigibt, lässt sich darüber hinaus ein zunehmendes Interesse an essbaren Insekten bei Verbrauchern verzeichnen. Dieses Interesse wird durch eine Reihe neuartiger Lebensmittelprodukte verstärkt, die regelmäßig auf den Markt kommen.

Insekten verfügen nicht nur über eine hervorragende Proteindichte, sondern sind für die extrem einfache Zucht bekannt, für die bloß ein Bruchteil des Flächenbedarfs der traditionellen Landwirtschaft nötig ist. Jedoch kann die Verarbeitung von Insekten zu nährstoffreichen Lebensmitteln und Getränken eine echte Herausforderung sein, zumal sich ohne intensive Forschung und großes Know-how kaum Rezepturen und Technologien für die Entwicklung von Produkten finden lassen, die einen hohen Nährwert haben und gleichzeitig zum Verzehr anregen. 

Im Gespräch mit unserem Experten Ola Strom, Lebensmitteltechniker bei Tetra Pak, wollten wir herausfinden, warum es für die Anreicherung unserer Lebensmittel und Getränke mit raffinierten Pulvern auf Insektenbasis bislang keine einfache Einheitslösung gibt.

Was hat es mit insektenbasierten Proteinen auf sich?

Insekten zu essen, ist im Grunde nichts Neues. Weltweit werden etwa 2.000 Insektenarten verzehrt, von Mehlwürmern und Grillen bis hin zu Raupen und Grashüpfern. Wissenschaftler entdecken fortlaufend neue und unerforschte Gruppen von Insekten, die essbar sind. Aber auf viele Verbraucher wirken Insekten in ihrer natürlichen Form abschreckend. Aus diesem Grund arbeiten zahlreiche Lebensmittelhersteller daran, essbare Insekten so zu verarbeiten, dass sie nicht als solche erkennbar sind, um sie als Proteinzusatz in bekannten Lebensmittel zu verwenden.  

„Sowohl Start-ups im Bereich Lebensmitteltechnologie als auch etablierte Unternehmen in unserer Branche experimentieren zunehmend mit raffinierten Pulvern auf Insektenbasis, um Lebensmittelprodukte wie Energieriegel, Chips, pflanzenbasierte Shakes und Milch anzureichern“, sagt Ola. „Aber es ist ein beträchtlicher Forschungsaufwand nötig, um Pulver auf Insektenbasis vom Geschmack, Mundgefühl und Nährwert her erstklassig zu gestalten.“

„Vor allem bei raffinierten Pulvern für Flüssigkeiten fällt die Art der verwendeten Insekten ins Gewicht. Diese erfordern grundlegend unterschiedliche Formulierungen und Verarbeitungsverfahren.“

Da ist der Wurm drin – das richtige Insekt finden

Insektenbasierte Proteine können von einer Vielzahl von Insekten stammen. Die Auswahl der richtigen Insektenart ist entscheidend für den Geschmack, den das Produkt letztendlich haben wird. 

„Insekten unterscheiden sich in der Intensität ihres Geschmacks“, erklärt Ola. „Bei Flüssigkeiten kann die Art der verwendeten Insekten einen enormen Einfluss auf Mundgefühl und Reinheit des Pulvers haben. Aus früheren Experimenten wissen wir beispielsweise, dass der intensive Geschmack und das Mundgefühl von Pulver aus bestimmten Grillenarten nicht besonders gut geeignet für die Anwendung in Flüssigkeiten ist. Stattdessen konnten wir mit hochreinen Proteinen auf Mehlwurmbasis des Unternehmens Tebrito großartige Ergebnisse erzielen. Diese Proteine bieten genau das richtige Maß an Reinheit und ein optimales Mundgefühl für das Mokka-Getränk auf Haferbasis, das wir derzeit testen“, so Ola weiter. 

Aber es geht nicht nur darum, die richtigen Insektenbasis zu finden. Lebensmittelhersteller müssen auch die richtige Wärmebehandlung, Rührtechnik und Dosierung finden, um ein nahrhaftes und wohlschmeckendes Endprodukt herzustellen. 

Ein Balanceakt – So lässt sich ein hohes Maß an Reinheit erreichen 

Für die Weiterverarbeitung ist die Qualität und Reinheit des Insektenpulvers von entscheidender Bedeutung. Das Trocknen und Mahlen beispielsweise ist bei der Verarbeitung absolut entscheidend für eine hohe Reinheit und Qualität des Proteins. Nicht ausreichend getrocknete Insekten können zur Entstehung von Schimmel und Bakterien führen, wohingegen zu stark getrocknete Insekten potenziell den Nährwert und die Qualität des raffinierten Proteinpulvers senken. 

Die richtige Methode zum Mahlen oder Zerkleinern des getrockneten Materials ist ausschlaggebend für das letztendliche Mundgefühl. Deshalb ist für ein Protein, das in löslichen Produkten wie pflanzenbasierter Milch oder Shakes als Zutat verwendet wird, in der Regel ein deutlich feineres Mahlwerk erforderlich als bei Insektenmehl für Brot oder Pfannkuchen. 

Ein Erfolgsrezept – die Suche nach der idealen Rezeptur 

Einer der letzten Schritte ist das Finden der richtigen Rezeptur und Dosierung. Das kann mehrere Testrunden erfordern. Zwar genießt die Aufrechterhaltung des Nährwerts hohe Priorität, an erster Stelle stehen jedoch stets das Mundgefühl und die Stabilität des Endprodukts. „Stabilität und Mundgefühl gehören zusammen“, erklärt Ola. „Wenn Sie ein Pulver hinzugeben, das sich nicht auflöst, kommt es zu Sedimentation im Produkt und in der Folge zu einem sandigen Gefühl im Mund.“

„Das Mischen in Dispergieranlagen und Technologien für die Homogenisierung können beispielsweise zur Lösung dieses Problems beitragen und eine bessere Balance aus Stabilität und Mundgefühl ermöglichen.“

Von Nischen- und Trendprodukten zu industriellen Maßstäben

Für das Verarbeiten von insektenbasierten Proteinen und das Herstellen von Lebensmitteln und Getränken, die sowohl in Bezug auf den industriellen Maßstab als auch in Bezug auf die tägliche Ernährung der Endverbraucher akzeptabel sind, sind weiterhin viele Forschungsarbeiten und Produkttests nötig. 

Deshalb führen wir bei Tetra Pak zusammen mit innovativen Start-ups im Lebensmittelbereich und Verbrauchern Produktversuche durch, um hochwertige, mit Protein angereicherte Lebensmittel in der Industrie Realität werden zu lassen.   

Weitere Informationen über die drei bekanntesten Gruppen essbarer Insekten

  • Grillen werden häufig für die Umwandlung in Proteinpulver und energiereiche Produkte gewählt. Das sogenannte „Grillenmehl“ kann für viele verschiedene leckere Produkte verwendet werden, z. B. Grillen-Burger oder Pfannkuchen.
  • Mehlwürmer sind bekannt für ihre kommerzielle Nutzung als Futter für Fische oder Reptilien. In den vergangenen Jahren haben sie deutlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind auf dem europäischen Festland beheimatet und benötigen kaum Wärme, Platz oder Wasser, wodurch sie sich extrem einfach züchten lassen und eine hervorragende Möglichkeit darstellen, die steigende Nachfrage der Verbraucher nach Getränken mit hohem Proteingehalt zu befriedigen.  
  • Die „Schwarze Soldatenfliege“ (Hermetia illucens) ist bekannt dafür, dass ein großer Teil des Rohstoffs in das Endprodukt einfließt. Darüber hinaus kann sie mit organischen Abfällen aus anderen Bereichen der Agrarproduktion gefüttert werden. Die Tiere sind extrem effizient und können bis zu 70 % der Proteine aus diesen Abfällen extrahieren.


Weitere Informationen darüber, wie Tetra Pak sich auf alternative proteinbasierte Lebensmittelanwendungen vorbereitet

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