2020-06-17

Die große Herausforderung: Hersteller von Saft, Nektar und stillen Getränken sind mit einer sich wandelnden Welt konfrontiert.

Viele von ihnen sind in Schlüsselmärkten bereits von einer verringerten Nachfrage der Verbraucher aufgrund von Gesundheitstrends betroffen und müssen sich nun zusätzlich mit schwindenden Wasserressourcen und dem Klimawandel auseinandersetzen. Wir untersuchen die Trends, Herausforderungen und Chancen der Getränkebranche im Hinblick auf Gesundheit, Nachhaltigkeit, Umwelt und Verbraucherverhalten.

Klimawandel, Wasserknappheit und Verbrauchergesundheit gehören zu den Herausforderungen

„Fruchtsaft ist genauso ungesund wie Limonade.“ „Ein Glas Fruchtsaft pro Tag weniger senkt das Diabetes-Risiko deutlich.“ „Es gibt einen Zusammenhang zwischen Fruchtsaft und Krebs.“ Seit etwa zehn Jahren sind die Hersteller von Fruchtsaft und Nektar fast wöchentlich negativen Schlagzeilen ausgesetzt – was auch den Verbrauchern nicht entgangen ist.

Während der Saftkonsum in China in der nahen Zukunft weiterhin um voraussichtlich mehr als 4 % zunehmen wird1, zeigen im Sommer 2019 vom US-Landwirtschaftsministerium veröffentlichte Zahlen, dass der US-Durchschnittsverbrauch seit seinem Höhepunkt in den späten 1990er-Jahren um etwa die Hälfte gesunken ist2. Der Saftkonsum in Westeuropa ist mit einem Wachstum von nur etwa 1 % im Jahr 2019 ebenfalls stagnierend3.

„Das ist ein großes Problem. In den USA und in Europa ist der Verbrauch wahrscheinlich wegen der Zuckerproblematik seit zehn Jahren rückläufig. Wie geht die Branche damit um?”, fragt John Collins, Executive Director der International Fruit & Vegetable Juice Association.

Die Hersteller von Softdrinks und stillen Getränken stehen laut Nicholas Hodac, Director General von UNESDA (europäischer Branchenvertreter) seit Jahrzehnten vor demselben Problem. „Dieser Trend hat nicht erst vor ein paar Jahren eingesetzt. Man könnte behaupten, dass sich die Anfänge der Zuckerreduzierung bis in die 1970er-Jahre zurückverfolgen lassen“, sagt er.

Gleichzeitig stehen die Getränkehersteller unter Druck durch den Klimawandel, der sich auf die Obsterzeuger auswirkt, und durch neue Forderungen an die Branche, die Beschaffung sowie den Verbrauch an Energie und Wasser in den Bereichen Produktion, Verpackung und Transport nachhaltiger zu gestalten.

Wachstum durch Innovation

Gaurav Dutt, Global Business Insights and Analytics Manager bei Tetra Pak, glaubt, dass die Safthersteller bereits auf dem Weg sind, eine Antwort auf das Wachstumsproblem zu finden. „Wir gehen in den kommenden drei Jahren von einem Wachstum mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa 1 bis 2 % weltweit aus“, sagt er voraus.

Die Märkte in Asien und Südostasien, in denen der Verbrauch nie rückläufig war, werden weiter wachsen. In der Zwischenzeit wird das Wachstum in Teilen Europas und Amerikas zurückkehren, während die Branche innovative Produkte auf dem Markt einführt.

„Die Hersteller haben schnell reagiert“, erläutert Dutt. „Sie haben verstanden, dass sie Lösungen entwickeln müssen, die diesen Trend umkehren. Sie bewegen sich in Richtung dessen, was wir ‚Säfte mit Mehrwert‘ nennen.“

Dazu zählen mit sogenannten Superfrüchten angereicherte Säfte, mit Getreide oder Proteinen versetzte Säfte als Mahlzeitenersatz, Clean-Label-Produkte mit möglichst wenigen Zutaten und Fruchtsäfte mit reduziertem Zuckergehalt.

Dies folgt der Verlagerung der Produktion von stillen Getränken und Softdrinks hin zu kalorienarmen und kalorienfreien Produkten. Diese Kategorie stellt mittlerweile durchschnittlich 24 Prozent des Umsatzes in Europa und in einigen Märkten mehr als 40 Prozent.

Gemüsesaft enthält etwa ein Viertel so viel Zucker wie Orangensaft. Durch Mischen mit anderen Säften lässt sich der Gesamtzuckergehalt also senken. „Wir stellen fest, dass Gemüsesäfte immer beliebter werden und dass sich der Trend vom Einzelgeschmack hin zu Geschmacksmischungen verstärkt“, so Collins.

Auch die Hersteller von stillen Getränken senken mit neuen Rezepturen den Zuckergehalt. Ebenso haben sie laut Hodac begonnen, die Portionen zu verkleinern und eine Reihe neuer Gesundheitsprodukte wie Eistees und aromatisiertes Wasser auf den Markt zu bringen.

Klimawandel und Wasserversorgung

Der Klimawandel wirkt sich zunehmend auf die Saft- und Nektarbranche aus. Wirbelstürme schädigen Orangenanbaugebiete in Florida und in der Karibik, während Erzeuger in Mittel- und Südamerika, Kalifornien sowie in anderen Region von Dürre betroffen sind. Dutt stellt fest, dass der Klimawandel auch die Landwirte in seinem Heimatland Indien trifft.

„Ich stamme aus dem Landwirtschaftsgürtel Indiens. Die Bauern dort sind nicht glücklich, weil es regnet, wenn es trocken sein sollte, und weil es trocken ist, wenn es regnen sollte.“

Collins sagt, dass große Erzeuger sich auch zunehmend ihres Wasserverbrauchs bewusst werden. „Sie werden Maßnahmen ergreifen, um umsichtiger mit dem Wasser umzugehen, natürliche Quellen nutzen und intelligente Bewässerungstechnologie einsetzen.“

Wasser ist für die Hersteller von stillen Getränken eine Schlüsselzutat, die 90 % des Getränkeinhalts ausmacht. Hodac stellt fest, dass effiziente Wassernutzung, Verbrauchsreduzierung, Erhaltung und Schutz seit über 20 Jahren ein zentrales Anliegen sind – beispielsweise bei Großprojekten wie der Sanierung der Donau. „Die Planung von Produktionsabläufen zielt darauf ab, den Wasserverbrauch zu optimieren und Abwässer angemessen zu klären. Einige unserer Mitgliedsunternehmen bereiten einen Prozentsatz des von ihnen verbrauchten Wassers auf – im Jahr 2018 einige davon zu 100 %. Abwasser aus Produktionsprozessen wie dem Kühlen und Spülen werden intern auch zum Reinigen von LKW und Böden wiederverwendet.”

Wachsende Rufe nach Nachhaltigkeit

Da einige Länder jetzt entschlossenere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen, wird der Druck auf die Hersteller weiter zunehmen, ihren Energie- und Wasserverbrauch zu reduzieren, nachhaltigere Verpackungen zu verwenden und den Energieverbrauch beim Transport zu verringern.

Das erste Ziel – die Verbrauchsreduzierung bei Energie und Wasser – kann durch Investitionen in neue Verarbeitungstechniken erreicht werden.

Dutt prognostiziert, dass die Hersteller von Saft, Nektar und stillen Getränken zunehmend strengeren Auflagen einhalten müssen, die sie zur Reduzierung des Energieverbrauchs zwingen werden, um hohe Geldstrafen zu vermeiden. Und er erwartet, dass der Druck der Verbraucher, der sich zurzeit hauptsächlich auf die Verpackung und die Anbauverfahren konzentriert, sich auf den Energie- und Wasserverbrauch in der Produktion ausdehnen wird.

„Wenn Sie als Hersteller in dieser Hinsicht untätig sind oder so wahrgenommen werden, wenden sich die Verbraucher von Ihnen ab. Und das kann sich erheblich darauf auswirken, wie Sie auf den Märkten der Zukunft agieren können.”

Da das meiste Obst weitab von den größten Verbrauchermärkten in den Tropen angebaut wird, muss die Branche große Anstrengungen unternehmen, den Transportaufwand zu senken. Die Auswirkungen der sogenannten Lebensmittelmeilen auf die CO₂-Gesamtbilanz ist jedoch geringer als gemeinhin angenommen. In Europa unter Glas angebautes und auch dort konsumiertes Obst und Gemüse weist oft eine ungünstigere Bilanz auf als in den Tropen angebaute und auf dem Seeweg importierte Produkte.

Hodac sagt, dass Mitglieder seiner Organisation sich darauf konzentrieren, Energieeffizienz, Schutz und Einsparungen wo immer möglich voranzutreiben. „Die CO₂-Emissionen wurden in den letzten zehn Jahren in vielen Produktions- und Abfüllbetrieben durch den Einsatz neuer energieeffizienter Technologien in Anlagen sowie von Kühl- und Verteilungssystemen halbiert.”

Lokale Favoriten

Die Vorliebe für lokal erzeugte Produkte breitet sich von Europa und den USA auf andere Märkte aus – und das nicht nur aus Umweltgründen. Zum Beispiel wünschen indische Verbraucher lokale Zutaten wie Kurkuma und Kokum in ihren Saftmischungen.

Die Saftproduzenten müssen auch sicherstellen, dass das von ihnen verwendete Obst aus ethisch verantwortlichem Anbau stammt. Dreizehn der größten Produzenten, Mischer und Abfüller der Welt haben sich verpflichtet, bis 2030 nur noch zu 100 % nachhaltig erzeugten Saft zu verwenden. Diese Selbstverpflichtung erfolgte im Rahmen der Sustainable Juice Initiative, die von IDH, einer NGO für nachhaltigen Handel, entwickelt wurde.

Hodac sagt, dass er bei den Herstellern von stillen Getränken einen ähnlichen Trend sieht. „Es geht nicht nur um lokale Aromen, sondern auch darum, ob die Produkte bestimmte Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. Es gibt einen großen Trend hin zu Bio-Lebensmitteln und den erleben wir auch in der Branche für stille Getränke.”

Dutt geht davon aus, dass sich diese Nachfrage in den nächsten zehn Jahren verstärken wird. „Ich denke, dass in der Saftbranche zwei große Trends diese Veränderung vorantreiben. Der eine ist die gesundheitsbezogene Zuckerfrage und, noch wichtiger, die von den Verbrauchern geforderte Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit.”

Wenn die Getränkehersteller weiterhin so kreativ bleiben, wie sie heute sind, dann sollten die negativen Schlagzeilen allmählich verblassen.

Möchten Sie mehr über die Nachhaltigkeitsherausforderungen in der Branche Saft, Nektar und stille Getränke erfahren? Hören Sie sich unsere neuen Podcasts an – den Juicecast! ​​

Einige Kennzahlen: 

2017 konsumierten US-Amerikaner nur 20 Liter Saft pro Jahr.4 Dies ist weniger als jemals zuvor in den letzten 50 Jahren.

Das Segment der stillen Getränke übertrifft das Segment Saft; das durchschnittliche globale Jahresumsatzwachstum wird zwischen 2020 und 2023 voraussichtlich 5 % erreichen.5 Das jährliche Wachstum von 8 % in China gleicht das schwächere Wachstum von 1,7 % in den USA und 2,6 % in Europa aus.

Die Saftherstellung ist extrem wasserintensiv. Laut dem geologischen Dienst der USA werden für die Produktion einer einzelnen Orange 50 Liter Wasser benötigt, für die Produktion eines einzigen Glases Orangensaft jedoch 200 Liter.6

Anmerkung des Herausgebers: Diese Vorhersagen wurden vor der Coronapandemie erstellt. Die möglichen langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind nicht berücksichtigt.

Quellen:

1. https://www.statista.com/outlook/20030000/117/juices/china, abgerufen im Januar 2020

 2. https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-09-27/american-shoppers-spurn-orange-juice-for-for-fresh-fruit, abgerufen im Januar 2020

 3. https://www.statista.com/outlook/20030000/102/juices/europe, abgerufen im Januar 2020

​ 4. https://www.statista.com/statistics/257149/per-capita-consumption-of-fruit-juices-in-the-us/, abgerufen im Januar 2020

5. https://www.statista.com/outlook/20020200/100/non-carbonated-soft-drinks/worldwide, abgerufen im Januar 2020

6. ​https://water.usgs.gov/edu/activity-watercontent.php, abgerufen im Januar 2020