Im Supermarkt ringen Tausende von Marken und Produkten um die Aufmerksamkeit der Verbraucher. Darum muss das eigene Produkt aus der Masse hervorstechen. Aber wie und warum Verbraucher einer bestimmten Marke oder einem Produkt den Vorzug geben, hat nicht nur mit einer auffälligen Verpackung zu tun. Zur sogenannten Produktdifferenzierung gehören viele Details in Theorie und Praxis. Jonas Eklund beschäftigt sich schon beinahe sein gesamtes Arbeitsleben mit dieser Thematik.
Nachdem er seinen Abschluss in Grafikdesign am Danish Graphic Arts Institute gemacht hatte, begann Eklund seine Karriere bei Tetra Pak. Dort ist er nun seit 22 Jahren als Grafikdesigner für Nordeuropa tätig. Er arbeitet eng mit unserer Marketingabteilung und Unternehmen sowie Marken zusammen, damit deren Verpackungsdesigns erfolgreich sind. Der Trend zur Nutzung von bei Raumtemperatur haltbaren Lebensmitteln in Kartonverpackungen wie Tetra Recart® nimmt immer mehr Fahrt auf. Da diese neue Verpackung Glasbehälter, Aluminiumdosen und Schlauchbeutel zunehmend ersetzt, benötigen Kunden fachkundige Beratung und Ideen für Designs, die zum neuen Format passen.
Aber warum ist es so wichtig, das Design Ihrer Lebensmittelverpackung zu optimieren? „Wir bezeichnen die Verpackung auch als ‚stillen Verkäufer‘“, erklärt Eklund. „Im Ladenlokal sieht der Kunde die Verpackung im Regal stehen. Doch wenn das Design dort nicht funktioniert, greift er nicht danach. Darum ist das Verpackungsdesign ein unerlässlicher Baustein im Marketingmix.“
Eklund weist auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Produktdifferenzierung und den herkömmlichen Elementen Werbung und Grafikdesign hin, zu denen Anzeigen in Printmedien und im TV gehören. „Wenn Verbraucher durch den Gang im Supermarkt gehen und nach rechts oder links blinken, bleiben Ihnen als Anbieter nur Sekunden, um die Aufmerksamkeit zu wecken. Sie müssen sich also auf die wesentlichen Aspekte, den Kern des Designs konzentrieren. Das Leitmotiv dabei lautet: Vermittelt die Verpackung den einen oder die beiden Punkte, die Sie in dieser kurzen Zeitspanne an die Frau oder den Mann bringen wollen? Das ist eine große Herausforderung.“
Wie groß die Herausforderung ist, zeigt ein häufiger Fehler, von dem Eklund berichtet. Häufig ist die Front der Verpackung überfrachtet, sodass sie ein Informationschaos darstellt. Dabei ist Einfachheit die Lösung. Verpackung und Branding müssen nicht nur das Produkt verkaufen, sondern auch Wiedererkennungswert und Bekanntheit erzeugen. Farben sind wichtig, aber ebenso Schriftgröße und Schrifttype. Diese Elemente müssen sofortige Aufmerksamkeit wecken und zugleich zu den Stichpunkten und zum Kontext der jeweiligen Produktkategorie passen. Eine störende oder allzu gewagte Aufmachung kann verheerend sein und Ihr Produkt im Regal untergehen lassen.
„Man muss eine Verbindung zwischen Verbraucher und Produkt herstellen. Was Entscheidungen betrifft, sind Konsumenten ziemlich eingefahren und traditionell“, weiß Eklund. Er nennt das Beispiel eines Herstellers von Milchprodukten, der von einer sehr hellen, leuchtenden Farbgebung zu einer komplett schwarzen Verpackung gewechselt hatte. Die Umsätze brachen ein und das Unternehmen musste schließlich das Rebranding zurücknehmen. „Der Trick besteht darin, wie ein typisches Produkt der jeweiligen Kategorie zu wirken und dabei gleichzeitig das vorherrschende Design infrage zu stellen. Die Verpackung muss hervorstechen und anders sein.“
Er hat einen weiteren Rat für Lebensmittelunternehmen. Sie sollten den dreidimensionalen Aspekt der Verpackung berücksichtigen und alle Oberflächen für wichtige Informationen oder ein detailliertes Storytelling nutzen. „Wir sprechen vom 360-Grad-Design“, erklärt er. Er hat mit Anbietern gesprochen, um herauszufinden, wie und wo die Verpackung sichtbar ist. Dabei muss auch darauf geachtet werden, welche Teile eine mögliche Sekundärverpackung verdeckt. Ein wichtiger Punkt sind auch klare und eindeutige Anweisungen für das Recycling. „Die Verpackung darf nicht zu Frustration führen“, sagt er. „Verbraucher, die sich für Nachhaltigkeit interessieren, müssen schnell herausfinden können, wie die Verpackung korrekt entsorgt wird.“
Falze und umgeklappte Bereiche müssen beim Anbringen von Designelementen ebenfalls betrachtet werden. Schließlich ist eine Verpackung ein 3-D-Objekt. Nicht alles, was am Bildschirm oder flach ausgebreitet gut aussieht, tut dies auch in aufgestellter Form. In einem als grafisches Origami bezeichneten Prozess wird ausprobiert, wie Falze und Klappbereiche das Design fortsetzen oder als Grenz- oder Kontrastelement dienen können. Eklund setzt eine spezielle Software ein, um Renderbilder und 3-D-Grafiken zu erstellen, an denen er die Ausrichtung des Designs überprüfen und Kundenreaktionen messen kann.
Letztendlich muss die Verpackung vor allem beim Verbraucher gut ankommen. In den letzten Jahren wurden verstärkt Computerprogramme und KI-Algorithmen genutzt, um Augenbewegungen und Aufmerksamkeitsfokusse der Kunden beim Betrachten von Regalen zu ermitteln. Daraus sind harte Fakten entstanden, die Unternehmen bei ihren Designentscheidungen nutzen können. So bewertet die 3M Visual Attention Software die „Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil des Visuals innerhalb der ersten Sekunden nach dem Erblicken eines Bildes gesehen wird“ und hebt spezifische „Blickfangpunkte“ hervor. Die Technik kann zur Analyse einer einzelnen Verpackung dienen, aber auch für ein komplettes Regalfeld. Die Ergebnisse verraten laut Eklund „wie man Hierarchien erstellen oder Elemente anordnen sollte, um den Blick am besten zu fesseln. Es sind handfeste, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse. Bisher wurde oft einfach gesagt ‚Ich mag das Design‘ und fertig.“
Solche Tools sind besonders nützlich, wenn es um bestimmte Designelemente geht. Beispielsweise hat ein Unternehmen herausgefunden, dass die Sichtbarkeit um 71 % gesteigert werden konnte, wenn der Markenname dunkelblau gedruckt wurde. Dieser Wert lag deutlich über dem Zuwachs bei Verwendung anderer Farben. All das gehört zu Eklunds ganzheitlichem Ansatz beim Verpackungsdesign. Ein Design, dass die Menschen anspricht und die Umsatzziele erfüllt, besteht aus vielen Elementen.
Ein noch junges Feld beim Verpackungsdesign ist der Onlinehandel. Designer müssen sich die Frage stellen, wie die Verpackung als Miniaturbild auf einem Monitor oder dem Display eines Mobilgeräts wirkt. Der Sprung von der physischen in die digitale Welt bringt besondere Herausforderungen mit sich, die nicht immer auf der Liste der Unternehmen stehen. Online fehlt zum Beispiel die Größenwahrnehmung. Es ist hier also viel wichtiger, die Produktmenge (also das Gewicht oder Volumen) in großer Schrift prominent zu platzieren. Einige kleinere Elemente können dagegen wegfallen, um ein aufgeräumtes Gesamtbild zu erzielen und mehr Raum für Kernbotschaften wie Claims, Markennamen oder USPs zu schaffen.
Daraus können sich erhebliche Vorteile ergeben. Eine gemeinsame Studie von Unilever und der Universität Cambridge hat gezeigt, dass Verpackungen mit für Onlineportale optimierten Hero-Grafiken und Botschaften zu einem Umsatzanstieg von bis zu 24 % geführt haben. „Es geht darum, die wichtigen Elemente in den Vordergrund zu stellen. Das sind Elemente, die im Ladengeschäft als selbstverständlich angesehen werden. Man muss die Produktverpackung an den jeweiligen Vertriebskanal anpassen“, so Eklund.
Der gesamte Bereich ist in ständiger Bewegung. Das gilt sowohl für die wissenschaftliche Messung von Daten als auch für spezifische Designtrends. Bei den Trends gibt es viele neue Entwicklungen, mit denen clevere Marken experimentieren. Verantwortungsvoller Konsum ist für viele Verbraucher entscheidend. Doch auch Bekanntheit – also der Ruf oder das Erbe eines Produkts –, Geradlinigkeit, Verbraucherfreundlichkeit und Bequemlichkeit sind wichtig. Das Ganze muss in einem klaren, übersichtlichen Design präsentiert werden. Natürlich gibt es auch modernere Herangehensweisen für neue und innovative Produktkategorien: Bunte Farben, Metallic-Effekte, reflektive Muster und QR-Codes verleihen der Verpackung eine mitreißende, futuristische Optik.
Ein Punkt, der gern vergessen wird, ist die Flächenwirkung vieler flacher Verpackungen. Welcher Gesamteindruck entsteht dadurch? Das ist ein komplexes, aber lohnendes Thema, weiß Eklund. Vor allem aber darf man diesen Eindruck nicht außer Acht lassen. „Man muss sich ansehen, welcher Effekt entsteht, wenn man viele identische Verpackungen nebeneinanderstellt. Entsteht ein scheußliches Bild? Lässt sich ein Element ändern, um einen anderen Eindruck über die benachbarten Flächen zu erzeugen? Letztendlich geht es darum, die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu wecken.“
Das ist die Quintessenz der Produktdifferenzierung: Sie müssen die Einzelteile (Aufmerksamkeit wecken, Marke oder Produkt erkennen, Einpacken oder Kaufschaltfläche anklicken) zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. „Einer meiner Lehrer fasste das immer so zusammen: ‚Sieht nett aus, aber kommuniziert es auch?‘“, berichtet Eklund. „Wenn eine Verpackung einfach nur cool aussieht oder schön anzusehen ist, aber ansonsten nichts vermittelt, ist es wohl eher Kunst. Verpackungen müssen Verbraucher ansprechen und das gewünschte Verhalten auslösen. Ansonsten haben sie ihr Ziel verfehlt.“