4. Dezember 2023

Heutzutage gibt es in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie eine Fülle von Innovationen. Wohin steuert die Industrie – und was denken die Verbraucher?

Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist dabei, eine Menge neuer Ideen zu entwickeln – von pflanzlicher Basis und Fermentation bis hin zu In-vitro-Fleisch und Insektenproteinen. Und das aus gutem Grund:

Bis 2050 werden weltweit 56 % mehr Lebensmittel benötigt, um fast 10 Milliarden Menschen zu ernähren. Gleichzeitig müssen wir dies tun, ohne mehr Land zu nutzen, und die Emissionen senken.

Also brauchen wir einen neuen Ansatz für Lebensmittel. Aber Lebensmittelinnovationen sind komplex, und die Wahrnehmung neuer Lebensmitteltechnologien durch die Verbraucher stellt manchmal ein Hindernis für echte Durchbrüche dar. Einige sehen sie als eine Möglichkeit, Herausforderungen wie Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeit zu bewältigen. Andere sind zögerlicher und möglicherweise besorgt über ethische Gesichtspunkte und die Art und Weise, wie diese neuen Produkte hergestellt werden. 

In unserem aktuellen Verbraucherindex betrachten wir die neuesten Innovationen im Lebensmittelsektor und werfen einen Blick auf die Zukunft von Gesundheit und Ernährung. 

Eine Person, die ein Glas mit fermentierten Lebensmitteln hält

„Künstliches“ Fleisch und „gruselige“ Insekten

Werfen wir zunächst einen Blick auf einige der Innovationen, die derzeit wegweisend sind. Ein Beispiel sind Insekten, die reich an Nährstoffen und Proteinen sind und sich leicht züchten lassen. Insekten zu essen ist keineswegs ein neues Konzept, denn sie werden bereits von zwei Milliarden Menschen in etwa 80 Ländern konsumiert. 

„Vier verschiedene Insekten sind derzeit in der EU für den menschlichen Verzehr zugelassen“, erklärt Anders Nelving, Line Solution Manager bei Tetra Pak. „Allerdings gibt es bestimmte Barrieren, die bei essbaren Insekten überwunden werden müssen. Etwa drei von zehn Verbrauchern finden das Konzept unangenehm – und ebenso viele haben Angst, es auszuprobieren.“

Ein weiteres Beispiel ist In-vitro-Fleisch. Es handelt sich um eine relativ junge und sehr schnell voranschreitende Technologie, die bei den Verbrauchern als gut für das Tierwohl und den Planeten gilt. Andererseits ist es immer noch recht teuer, und mehr als ein Drittel der Verbraucher hält es für unnatürlich.

„Es ist ganz klar, dass In-vitro-Fleisch noch einen langen Weg vor sich hat. Es genießt wenig Vertrauen, und ein Grund dafür könnte sein, dass viele Verbraucher natürliche Produkte bevorzugen“, erklärt Anders Nelving.

Welche Vorlieben sind also mehrheitstauglich? Für Anders Nelving geht es darum, alle Aspekte abzuwägen. Manchmal können vermeintlich negative Faktoren wie Ethik durch potenzielle positive Faktoren wie Kosten, Nachhaltigkeit oder gesundheitliche Vorteile aufgewogen werden.

Und das führt uns zum nächsten Punkt, den Anders für wesentlich hält: Wie sprechen wir über neue Lebensmittel? 

Wir müssen aufhören, über Alternativen zu reden – und die neue Normalität annehmen 

Wörter und Begriffe ist ein entscheidender Faktor für unsere Wahrnehmung – auch für die Wahrnehmung neuer Innovationen und Produkte. Nehmen wir beispielsweise Tofu, der für viele eine Alternative zu Fleisch geworden ist. Anders ist jedoch der Meinung, dass wir aufhören sollten, „alternative“ Produkte zu schaffen.

„Tofu gibt es schon seit langem – und viele Menschen verzehren ihn gerne als das, was er ist. Es besteht die Gefahr, dass wir uns an diese ‚alternative‘ Erzählung binden. Vielleicht ist es am Anfang notwendig, aber ist es wirklich das, was die Mehrheit der Menschen bekehren wird? Ich bin mir da nicht sicher“, sagt Anders.

Er ist vielmehr der Meinung, dass die Industrie sich darauf konzentrieren sollte, die Qualität zu verbessern und neue Produkte zu schaffen, die etwas Besonderes können und so gut sind, dass die Menschen sie nicht ignorieren können. So ändern sich die Gewohnheiten.

„Wenn wir diesen ‚alternativen‘ Weg weiter beschreiten, haben die Menschen die Erwartung, dass sie nicht ‚das Echte‘ bekommen. Ich denke, es ist wirkungsvoller, etwas neues Echtes zu schaffen, das nachhaltiger, billiger und gesünder ist, was auch immer es sein mag“, erklärt er.

Ein Burger mit rosafarbenem Hintergrund

Das einzigartige menschliche Streben nach Genuss und Vergnügen

Denn in Wirklichkeit geht es um den Geschmack. Johan Jörgensen, Gründer von Sweden Foodtech, meint dazu: „Ein gutes Lebensmittelsystem ist gut für Menschen. Es ist gut für den Planeten. Und es schmeckt auch noch richtig gut. Jede Art von Veränderung, die wir angehen, muss sich auf den Geschmack stützen.“

In diesem Punkt stimmt Anders zu und verweist auf Diätprodukte. Sie müssen den gleichen Genussfaktor und guten Geschmack haben wie das, was sie ersetzen, nur mit weniger Kalorien. 

„Alles, was in der Diätindustrie unternommen wird, zielt darauf ab, uns den gleichen Genuss zu bieten, den wir von normalen Lebensmitteln haben“, sagt Anders. 

Und gehört nicht gerade die Freude am Essen und Trinken zu den Dingen, die uns von anderen Tieren unterscheidet?“, fragt Anders.

„An einem Tisch zu sitzen, zu essen, zu genießen und zuzulassen, dass man sich mehr Zeit als nötig dafür nimmt, ist für mich ein äußerst menschliches Verhalten. Das Gleiche gilt für das Trinken, wenn man eigentlich keinen Durst hat“, meint er.

Und in gewissem Sinne ist es genau das, was die neuen Lebensmittel leisten müssen:

„Wir machen dieselbe Art von Diät, nur diesmal eine Diät für Mutter Erde. Wir müssen auf Diät gehen, ganz gleich, ob es dabei um CO₂-Emissionen, Wasser oder andere Ressourcen geht. Und den meisten von uns fällt es wirklich schwer, eine Diät zu machen“, sagt Anders.

Wir müssen Geschmack und Qualität verbessern – aber wie? Anders meint, dass wir zusammenarbeiten müssen. Das mag zunächst einfach klingen, wird aber etwas komplexer, wenn man sich die Entwicklung des neuen Lebensmittel- und Getränkesektors ansieht.

Man kann die Welt nicht alleine verändern – und 10 Milliarden Menschen ernähren 

„Neue Lebensmittelinnovationen reifen heran und entwickeln sich von einem eher universitären Umfeld, das sich auf Forschung und Tests konzentriert, Informationen offen austauscht und sich sehr für all die Möglichkeiten begeistert, hin zu einem stärker formalisierten Umfeld“, erklärt Anders.

Um neue Ideen und Produkte zu verbreiten, sind standardisierte Ansätze erforderlich, aber die Start-ups und Unternehmen, die im Mittelpunkt neuer Lebensmittelinnovationen stehen, sind oft „Philanthropen“, wie Anders sie nennt.

„Sie haben viele Ideen, die die Welt verändern können, aber es gibt nicht immer einen Standardansatz, der zu jedem Unternehmen passt. Wenn wir die Welt wirklich verändern wollen, müssen wir eng zusammenarbeiten und voneinander lernen“, sagt Anders. „Alleine geht es nicht. Wir alle haben unterschiedliche Fachgebiete und müssen uns gegenseitig unterstützen.“

Unsere Product and Food Development Centres spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie dienen als Miniaturausgaben echter Produktionswerke, in denen Kunden Zugang zu allen für eine komplette Lebensmittelproduktionslinie erforderlichen Technologien und die nötige Expertise haben. Sie können Tests durchführen, um Zutaten zu ermitteln und sowohl den Prozess als auch die Rezeptur zu optimieren. 

„Wir unterstützen viele Kunden bei ihren Innovationen im Bereich neuer Lebensmittel. Dabei geht es um mehr als nur Technologie. Sie brauchen auch die richtigen Einblicke, Ressourcen und Verbindungen. Die Entwicklungen im Bereich der neuen Lebensmittel gehen schnell voran, und wir alle lernen nach und nach dazu, deshalb müssen wir uns weiter vernetzen und gemeinsam als Branche vorankommen“, erklärt Anders.

Denn schließlich arbeiten wir alle auf dasselbe Ziel hin – und jeder Teil der Industrie wird gebraucht. Wir brauchen mehr Lebensmittel für mehr Menschen, egal, ob wir am Ende nun alle Insekten oder In-vitro-Fleisch essen. Und wir müssen uns dabei beeilen.

 

Suchen Sie Unterstützung auf Ihrem Weg zur Lebensmittelinnovation? Erfahren Sie, wie wir Sie dabei unterstützen.

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